Seit meinem letzten Spaziergang sind ungefähr 6 Wochen vergangen. Es war soviel Gartenarbeit zu erledigen, dass ich immer wieder das Spazierengehen verschoben habe.
Bei meinem letzten Spaziergang war die Trockenheit das große Thema. Eigentlich war es schon ein Jahr lang, nämlich seit dem kühlen verregneten Mai 2019 zu warm und zu trocken. Aber die letzten Wochen musste man wirklich als Dürre bezeichnen.
Hatte ich mich schon im Februar und März gefragt, woher die vielen Frühjahrspflanzen doch noch die Kraft zum Wachstum genommen hatten, war ab Ende April die Dürrekatastrophe dann allgemein sichtbar. Auch in den Medien wurde sie thematisiert. Zwar in erster Linie was die Erträge in Land- und Forstwirtschaft betrifft, aber immerhin. Dass es dem Wald (vor allem im Waldviertel) schlecht geht, wurde als Nebenthema berichtet.
Gott sei Dank, stellte sich das Wetter dann etwa mit den Eismännern mitte Mai um und seither regnete es ausgibig. Meiner Einschätzung nach ist für den Augenblick bezüglich der Feuchtigkeit alles in Ordnung. Wie sich der Boden durch die Dürre verändert hat und ob die Niederschläge der letzten Wochen da schon alles repariert haben, kann ich nicht einschätzen.
Bezüglich meinen mediterranen Kräutern, die an und für sich in unserer Sonnenlage sehr gut gedeihen, mache ich mir schon Gedanken, ob es nicht ein bisschen zu feucht und kühl ist.
Der Lehmboden nimmt nämlich langsam aber nachhaltig soviel Wasser auf, dass er längere Zeit sehr feucht bleibt, bevor er dann austrocknet und zuerst steinhart, später rissig wird. Natürlich haben wir ihn dort, wo wir unsere Kräuter gepflanzt haben verbessert und in Wirklichkeit gedeihen sie auch sehr gut. Aber als Gärtner macht man sich halt immer Sorgen.
Nun für den Spaziergang erwarte ich mir jedenfalls, dass soweit alles in Ordung ist.
Ich beginne mit ein paar Fotos im Garten.
So jetzt muss ich aber wirklich den Garten hinter mir lassen und in den Wald, sonst wird es heute wieder nichts.
Aufgrund des Regens der letzten Tage, wähle ich gleich den befestigten Weg. Sonst gehe ich ganz gerne quer durch den Wald, an einer etwas steilen Stelle, wo es zum Haselbach hinunter geht. Ich erwarte mir heute dort aber so viel Gatsch, dass es keinen Spaß macht.
Die zweihäusige Brennessel wird auch Botanikneulingen ohne weiteres bekannt vorkommen. Sie verbirgt aber allerlei Geheimnisse. Wie das Artepitheton „dioica“ schon sagt ist sie „zweihäusig“. Das bedeutet, dass es rein männliche und rein weibliche Exemplare gibt. Das ist aber gar nicht so ohne weiteres erkennbar. Ich schau also, was ich bei dem Exemplar, das mir gegenübersteht herausfinden kann.
Nun geht es endgültig durch den Sauwinkel zum Haselbach.
Am Haselbach angelangt fällt mir zunächst einmal die Belaubung der Erlen auf. Ende Februar hatte ich ja die Entscheidung, ob es sich tatsächlich um eine Schwarzerle (Alnus glutinosa) handelt, aufgeschoben. Dazu brauche ich nämlich ein Blatt.
Ebenfalls im Vorfrühling hatte ich die folgende Pflanze in ganz anderer Erscheinung gesehen. Jetzt sind die sterilen Wedeln des Riesenschachtelhalms anzutreffen. Im Vorfrühling hatten mich die viel unauffälligeren und seltener anzutreffenden fertilen Sprosse entzückt.
Auf dem Weg zum nächsten botanischen Ziel komme ich an dem traurigen Tümpel vorbei, an dem irgendwie Jahr für Jahr Laich, von was auch immer abgelegt wird, aber nie so richtig klar wird, ob sich daraus etwas entwickelt. Heuer vor sechs Wochen war ich schon ziemlich traurig, weil nach der Trockenperiode eine Kälteperiode die Hoffnung auf die ungestörte Entwicklung meiner Befürchtung nach zerstört hatte.
Aber siehe da, es bewegt sich etwas.
Jetzt bin ich schon ziemlich gut aufgelegt. Man könnte auch sagen glücklich. Und rund um mich summt es von tausenden und abertausenden Insektenflügeln. Das ist ganz eindeutig das Paradies. Umweltzerstörung erscheint mir in diesem Moment ein abstrakter Begriff und weit weg.
Ganz nah weiß ich aber den Seidelbast. Geht es ihm gut?
Nun den sonnigen Weg mit dem Gesumme weiter.
Die Lamiaceen hatten mich ja schon im Garten beschäftigt. Jetzt treffe ich die gepfeilten Blätter von Salvia glutinosa, noch ohne Blüten und die herzförmigen Blätter von Stachys silvatica (Waldziest), schon mit seinen wunderschönen Blüten.
Nun bewundere ich einige Glockenblumen (Campanulaceae) und schau sie mir näher an.
Bei der näheren Betrachtung fällt mir auf, dass die weiblichen Carpelle (Fruchtblätter) noch ganz frisch sind, während die männlichen Stamina (Staubblätter) schon ganz verwelkt sind
Die Taktik, dass zuerst die männlichen Geschlechtsorgane reifen und erst nach deren Verwelken die weiblichen, heißt „Proterandrie“ und verringert die Wahrscheinlichkeit der Selbstbestäubung, bzw. dass der eigene Pollen die Narbe für fremden Pollen blockiert.
Das Ganze gibt es bei anderen Gattungen auch anders herum, also, dass zuerst die weiblichen und später die männlichen Geschlechtsorgane reifen und heißt dann „Proterogynie“.
Allgemein heißt das frühere Reifen eines Geschlechts und Reifung des anderen Geschlechtes erst später „Dichogamie“.
Nun blühen auch schon Apiaceae (Doldenblütler).
Ein paar Schritte weiter ein weiterer „weißer Doldenblütler“. Da muss man schon ein bisschen genauer schauen, um die weißen Doldenblütler zu unterscheiden.
Ein Gärtner hätte das nächste Arengement aus Lysimachia vor Atropa belladonna nicht besser erdenken und realisieren können.
Jedes Jahr vor Beginn des großen Wachstums, also im Februar, Anfang März nehme ich mir vor, wenn sie denn kommen, alle Pflanzen unserer Gegend zu fotografieren und zu bearbeiten. Ich bin aber sehr glücklich, dass das nicht einmal annähernd gelingt und der Artenreichtum immer noch weit mein Fassungsvermögen übersteigt und ich mich mit einer kleinen Auswahl zufrieden geben muss.